Ein Tool zur Analyse von Mensch-Maschine-Relationen: ADMIRE

Im Rahmen des Forschungsprojekts „Orientierung in Digitalisierten Lebenswelten (OrDiLe)“ haben die Mitarbeitenden der Evangelischen Hochschule Nürnberg und der Technischen Universität Braunschweig das Analyse-Instrument ADMIRE entwickelt, mit dem implizite Vorstellungen von Mensch und Maschine sichtbar gemacht werden können. ADMIRE steht für Analyse Digitalisierter Mensch-Maschinen-Interaktionen und RElationen. Das Projekt OrDiLe ist Teil des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Clusters Integrierte Forschung (mehr dazu hier: https://integrierte-forschung.de).

Das Problem: Unreflektierte Vorannahmen

Bilder, Annahmen und Geschichten über das Wesen von Menschen und Maschinen prägen den Entwicklungsprozess und den Einsatz von Technik. Sie formen Erwartungshaltungen bezüglich des Verhaltens, wecken Emotionen und bestimmen (oft unbewusst) die Mensch-Maschinen-Interaktion. Diese Bilder werden in den meisten Fällen nicht explizit benannt, sondern als implizite, unreflektierte Selbstverständlichkeiten vorausgesetzt und unbemerkt durch Sozialisation erworben.

Die mangelnde Passung der Vorstellungswelten von EntwicklerInnen und NutzerInnen kann zu Orientierungsproblemen führen und den Erfolg der Interaktion und damit das Gelingen der Mensch-Technik-Relation beeinträchtigen. Um dies zu verhindern, haben wir ADMIRE entwickelt. Es kann derartige Passungsprobleme frühzeitig erkennbar machen, für Reibungspunkte sensibilisieren und so den Konstruktionsprozess von technischen Systemen unterstützen.

Reflexionsprozess

Der Reflexionsprozess von ADMIRE kombiniert mehrere Schritte, welche aufeinander aufbauen. Startpunkt der Reflexion ist die beabsichtigte Mensch-Maschine-Relation, die im Use Case Szenario beschrieben ist. Das Instrument kann aber auch in der anderen Richtung durchlaufen werden. Nach einem Durchlauf von ADMIRE sollte es möglich sein, potenzielle Annahmen über Menschen und Maschinen, welche in die untersuchte Relation integriert sind, zu reflektieren und unbewusste Menschen- und Maschinenbilder zu identifizieren.

In der folgenden Grafik sind die einzelnen Schritte von ADMIRE abgebildet. Zur Unterstützung des Reflexionsprozesses wurden für jeden Schritt Leitfragen formuliert. Um Beispiele für Leitfragen zu sehen, kann in der Grafik auf die verschiedenen Schritte geklickt werden.

  • Startpunkt ist die Mensch-Maschinen-Relation.
  • Der Kreis kann in beide Richtungen durchlaufen werden.
  • Einzelne Schritte bauen konsekutiv aufeinander auf.
  • Für jeden Schritt gibt es unterstützende Leitfragen undzugehörige Worksheets

Im Uhrzeigersinn

Mensch-Maschine-Relation

Mensch-Maschine-Relation

Wie soll die Beziehung zwischen Mensch und Maschine gestalten sein?
Was ist die soziale Zielsetzung der Mensch- Maschinen-Interaktion?

Use Case Szenario

Use Case Szenario

Welche verschiedenen Use Cases hat das System?
Gibt es mögliche Use Cases, die unerwünscht sind?
Was wäre das Worst Case Szenario? Was wäre das Best Case Szenario?

Use Case Diagramm

Use Case Diagramm

In welche Schritte sind die Use Cases unterteilt?
Wie stehen die Use Cases in Beziehung zueinander?
Welche potenziellen Nutzer bzw. Nutzergruppen hat das System?

Funktionen und Aktionen

Funktionen und Aktionen

Welche Aktionen soll das System sowie der Mensch ausführen?
Welche Reaktionen zeigt das System gegenüber dem Menschen?
Wie geht das System mit unerwünschten Reaktionen von Menschen um?

Rollen Mensch & Maschine

Rollen Mensch & Maschine

Welche Rolle übt das System während der Interaktion aus?
Welche Rolle übt der Mensch während der Interaktion aus?
Wie stehen die Rollenbilder von Mensch und System in Zusammenhang?

Verhaltenserwartungen

Verhaltenserwartungen

Welche Potenziale werden dem System sowie dem Menschen während der Interaktion zugeschrieben?

Potenziale

Defizite & Bedürfnisse

Welche Potenziale werden dem System sowie dem Menschen während der Interaktion zugeschrieben?

Defizite & Bedürfnisse

Defizite & Bedürfnisse

Welche menschlichen Bedürfnisse werden durch das System angesprochen?
Welche menschlichen Defizite sind dabei impliziert?

Normen & Werte

Normen & Werte

Welche sozialen Normen sind mit den Rollen von Mensch und System verknüpft?
Welche abstrakten Werte liegen diesen zugrunde?
Mit welchen Werten sind die menschlichen Bedürfnisse verbunden, die das System anspricht?

Annahmen Menschen & Maschinen

Annahmen Menschen & Maschinen

Wie trägt die vorliegende Interaktionssituation zu einer größeren sozialen Ordnung bei?
Wie werden Menschen und Maschinen in der vorliegenden Mensch-Maschinen-Relation betrachtet?

Gegen den Uhrzeigersinn

Mensch-Maschine-Relation

Mensch-Maschine-Relation

Wie soll die Beziehung zwischen Mensch und Maschine gestalten sein?
Was ist die soziale Zielsetzung der Mensch- Maschinen-Interaktion?

Annahmen Menschen & Maschinen

Annahmen Menschen & Maschinen

Wie trägt die vorliegende Interaktionssituation zu einer größeren sozialen Ordnung bei?
Wie werden Menschen und Maschinen in der vorliegenden Mensch-Maschinen-Relation betrachtet?

Normen & Werte

Normen & Werte

Welche sozialen Normen sind mit den Rollen von Mensch und System verknüpft?
Welche abstrakten Werte liegen diesen zugrunde?
Mit welchen Werten sind die menschlichen Bedürfnisse verbunden, die das System anspricht?

Defizite & Bedürfnisse

Defizite & Bedürfnisse

Welche menschlichen Bedürfnisse werden durch das System angesprochen?
Welche menschlichen Defizite sind dabei impliziert?

Potenziale

Defizite & Bedürfnisse

Welche Potenziale werden dem System sowie dem Menschen während der Interaktion zugeschrieben?

Verhaltenserwartungen

Verhaltenserwartungen

Welche Potenziale werden dem System sowie dem Menschen während der Interaktion zugeschrieben?

Rollen Mensch & Maschine

Rollen Mensch & Maschine

Welche Rolle übt das System während der Interaktion aus?
Welche Rolle übt der Mensch während der Interaktion aus?
Wie stehen die Rollenbilder von Mensch und System in Zusammenhang?

Funktionen und Aktionen

Funktionen und Aktionen

Welche Aktionen soll das System sowie der Mensch ausführen?
Welche Reaktionen zeigt das System gegenüber dem Menschen?
Wie geht das System mit unerwünschten Reaktionen von Menschen um?

Use Case Diagramm

Use Case Diagramm

In welche Schritte sind die Use Cases unterteilt?
Wie stehen die Use Cases in Beziehung zueinander?
Welche potenziellen Nutzer bzw. Nutzergruppen hat das System?

Use Case Szenario

Use Case Szenario

Welche verschiedenen Use Cases hat das System?
Gibt es mögliche Use Cases, die unerwünscht sind?
Was wäre das Worst Case Szenario? Was wäre das Best Case Szenario?

ADMIRE ist das Resultat eines interdisziplinären Entwicklungsprozesses, in dem technische, anthropologische und soziologische Perspektiven konstruktiv aufeinander bezogen wurden. Hierzu wurden zunächst umfangreiche theoretische Recherchen angestellt. Um die Funktionalität und Anschlussfähigkeit des Instruments sicherzustellen, wurde es in mehreren Formen evaluiert. Experten aus relevanten technischen und nicht-technischen Bereichen wurden  um ihre Rückmeldung gebeten. Außerdem wurden ausführliche Testungen vollzogen, an denen zwei Forschungs- und Entwicklungskonsortien sowie ein Start Up aus dem Bereich Robotik teilnahmen. 

Basierend auf den Rückmeldungen konnte ADMIRE sowohl in Hinblick auf seine theoretische Fundierung, seine konkrete Modellierung als auch seine konkreten methodischen Schritte weiterentwickelt werden. Es wird der Technik­entwicklungs­gemein­schaft somit ein einsatzfähiges Instrument zur Verfügung gestellt, das in strukturierter Form ermöglicht, die für die Konstruktion der Mensch-Technik-Relation relevanten Vororientie­rungen zu erkennen und somit bewusst zu gestalten. Dieser Schritt kann darüber hinaus als Grundlage einer ethischen Evaluation dienen. 

Was ADMIRE leistet:

  • Für die Bedeutung impliziter Menschen- und Maschinenbilder sensibilisieren
  • Implizite Annahmen über Menschen und Maschinen strukturiert analysieren
  • Einen Rahmen bereitstellen, mittels dem unterschiedliche Perspektiven benannt und integriert werden können
  • Analyse des geplanten Use Case, der Rollen, die Menschen und Maschinen zukommen, sowie des Kontexts
  • Unterstützung bei der eigenständigen Urteilsfindung

Was ADMIRE nicht leistet:

  • Eine ethische Bewertung des geplanten Use Case
  • Eine Definition des richtigen Menschen – oder Maschinenbilds
  • Vorgegebene Expertenurteile
  • Universelle Urteile über Menschen und Maschinen und deren Verhältnis

Workshops

Für das ADMIRE-Instrument bieten wir ein Workshop-Format an. Es ist für EntwicklerInnen in kleinen Gruppen (3-10 Personen) konzipiert, Moderation sowie alle weiteren Materialien werden von uns gestellt. Lediglich ein UML Use Case Diagramm für den zu untersuchenden Anwendungsfall sollte vorliegen, das als Einstieg in den Reflexionsprozess verwendet wird.

Ein Workshop mit einem einmaligen Durchlauf dauert ca. drei Stunden, auch mehrere Durchläufe (Tegesformat) oder ein mehrtägiger Workshop in Kombination mit MEESTAR sind möglich.

Bei Interesse kontaktieren Sie uns gerne.